Kleiner Kommentar, große Wirkung. Im Januar hat kein Bildungsthema für mehr Aufregung gesorgt als der "Tweet" der Schülerin Naina vom 10.Januar:
Erst kam die Hype auf Twitter, dann berichteten ProSieben und Deutschlands meistgelesene"BILDungszeitung" und am Ende rauschte der gesamte deutsche Blätter- bzw. Medienwald. Selbst die gute alte ZEIT ließ es sich nicht nehmen, darüber zu berichten.
Und dann waren da noch die unverbesserlichen Trittbrettfahrer, die Politiker. NRW-Grüne fordern, dass im Fach Hauswirtschaft statt "Häkeln, Stricken und Pudding kochen" künftig "Banking und Mietrecht" unterrichtet werden und ein neues Fach "Verbraucherbildung". Bundesbildungsministerin Wanka (CDU) spricht von mehr "Alltagswissen", das die Schule verstärkt vermitteln müsse und hat schon, so Naina, mit ihr Kontakt aufgenommen. Vielleicht winkt ja der Beinahe-Abiturientin eine Karriere in der Politik, etwa als Twitterbeauftragte für PR-hungrige MinisterInnen im Schatten von Angela Merkel.
Sogar "Dirty Harry", nationale Spottdrossel i. R. Harald Schmidt, ließ sich in einem Erfstadter Gymnasium zu dämlichen Sprüchen über die Schülerin verleiten und prophezeit der "Twitterkönigin" (BILD) eine Zukunft im RTL Dschungelcamp[1]. Und Stefan Raab interviewte Naina in "TV-Total" [2].
Eine Kommentarlawine gab es in den Online Medien. Aus den Leserreaktionen kann man wie selten zuvor ablesen, wie stark der Begriff Bildung im Zeitalter von PISA zu einer ökonomischen Nützlichkeits(aus)bildung verkommen ist.
Übrigens: Wer Realsatire liebt, für den sind die Kommentarspalten eine reiche Fundgrube. Exemplarisch: "Gesetzestexte oder Versicherungsbedingungen sollen interpretiert werden statt Goethe", "weniger Sexualkunde", das "Verhalten bei Auslandsreisen soll geschult werden", neue Schulfächer "Pragmatisches Denken" und "Realitätssinn", "Googlekurse" ..., sogar "die Judorolle" soll zum verbindlichen Lernstoff erklärt werden.
Bei vielen Lesern bricht sich aufgestauter Schulfrust Bahn: "Erst nach der Schulzeit wurde mir klar, dass Weimaraner keine Schweine- sondern eine Hunderasse sind." Der Leser hatte sich interessanterweise vom Fach Deutsch Aufklärung in dieser wichtigen Frage erhofft. Deutschland im Bildungsnotstand, kann man da nur sagen. In einer Zeit, in der dank "Sozialer Netzwerke" jeder alles sagen kann, offenbart sich so manches bisher verheimlichte Bildungstrauma.
Bei vielen Lesern bricht sich aufgestauter Schulfrust Bahn: "Erst nach der Schulzeit wurde mir klar, dass Weimaraner keine Schweine- sondern eine Hunderasse sind." Der Leser hatte sich interessanterweise vom Fach Deutsch Aufklärung in dieser wichtigen Frage erhofft. Deutschland im Bildungsnotstand, kann man da nur sagen. In einer Zeit, in der dank "Sozialer Netzwerke" jeder alles sagen kann, offenbart sich so manches bisher verheimlichte Bildungstrauma.
Doch soviel Ruhm hat auch einen Preis. Zum einen hat Ninas Medienhype Neider auf den Plan gerufen, die nach Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg und Annette Schawan einen neuen Plagiatsskandal witterten. Die Vorwürfe, die eifrig von der Journaille aufgegriffen wurden, kamen von einer Schweizer Schülerin und nicht etwa von den Nachlassverwaltern des alten Seneca (Non vitae, sed scholae discimus). Neben viel Lob gab es für Naina, die unter dem Twitternamen @ninablabla postet, wohl auch ein kleines "Shitstürmchen".
Naina zog daraufhin kurzerhand die Reißleine und ging für ganze vier Tage in den Twitterausstand.
Doch die Twitter "Bildungsdebatte" hatte ja auch ihr Gutes. Unser Intelligenzblatt BILD hat uns ein "Kleines 1x1 des Lebens" bereitgestellt [3], von A wie Autokauf bis Z wie Zinsen, Dispo. Man könnte das ja schon mal als Rohfassung für einen künftigen Lehrplan "Verbraucherkunde" nutzen.
Ein Erfolg war auch zu verbuchen für den Cheflobbyisten des DLV ( Deutscher Lehrerverband), Karl Kraus. Der hatte darauf verwiesen, dass Schule nicht alles aufarbeiten könne, was Eltern verpassen. Schon 4 Tage nach ihrer BILDungskritik kam ein Update; laut Naina hat ihre Mama reagiert:
Bei mir hat sich die Einsicht gebildet, dass nicht Facebook und Google+ "böse" sind, sondern dann schon eher Twitter. Warum? Ganz einfach: bei den Erstgenannten kann ich mir meine "Freunde" immerhin noch selbst aussuchen, zumindest, wenn ich mich mit den Einstellungen meines "Accounts" auskenne. Gegen einzelne "Followers" auf Twitter kann ich mich bestenfalls durch "Blocken" oder "Melden" wehren, aber jeder andere von den 3,6 Millionen deutschen Nutzern kann die meisten sehr privaten Posts lesen.
Die arme Naina hat mittlerweile 21500 Follower. Die lesen nun täglich die Kurzmitteilungen der Schülerin in eigener Sache, und die sind meistens belanglos und mitunter durchaus "peinlich". Wie man Twitter sicher nicht nutzen sollte, kann man am frei zugänglichen Accounts von @blablanaina alias "Naina aus Köln" exemplarisch studieren. Man mag ja wie die FAZ zu dem Ergenis kommen, dass die Tweets Nainas "vielleicht politisch unkorrekt oder unreif waren – aber nichtsdestotrotz einem Teenager völlig angemessen" seien. Aber das Bild, das man bei einem Besuch ihrer Twitterseiten von der Schülerin bekommt, ist alles andere als geschickte Selbstdarstellung.
Wie man den "Nachrichtendienst" als Instrument für Eigenpromotion nutzen kann, das kann man von Twitter-Weltmeister Barrack Obamah ( 54,3 Mio Followers) bzw. von dessen Twitterbeauftragten lernen. Auch Vizeweltmeister Papst Franziskus ( 14,11 Mio Followers) nutzt den Mikroblog geschickt für Werbung in eigener Sache wenn er "urbi et orbi" in seiner Christenlehre 2.0 fast täglich den Katechismus zutwittert.
Da wäre ja mal ein durchaus weiteres neues Unterrichtsfach fällig: "Selbstmarketing in Sozialen Netzwerken". Auch hier gibt es von Focus-Online schon Material für einen möglichen Lehrplanentwurf mit dem Untertitel "10 goldene Regeln für die Selbstvermarktung"[4]
Klar, Twitter hat auch sonst noch Potential. Der Kurznachrichtendienst hilft dabei "Debatten" anzustoßen. "Blogs und Foren befeuerten die Umbrüche in der arabischen Welt, die neuen Medien wurden zum Mittel der Selbstermächtigung." [5] schreibt die Bundeszentrale für Politische Bildung.
Naina hat dieses Potential eher unfreiwillig entdeckt. Für einige Tage war sie "berühmt", wurde mit "Glanz" und "Spott" konfrontiert, hat einigen "Celebrities" die Hand schütteln dürfen und steht, zumindest "vorerst", weiter im Focus des öffentlichen Interesses. Vielleicht gibt es ja noch andere Naina "Tweets", die mal dringend öffentlich diskutiert werden müssten. Ich hätte da auch schon einen Vorschlag, u. U. auch für neue Bildungsinitiativen, bevor wirklich Schlimmes passiert. Vielleicht kommt dann noch ein weiteres neues Schulfach "Heimwerken" in den neuen Bildungskanon der Gymnasien.
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